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Geda Böck & Andrea Dimitriadis (Hrsg.): Vierzig Jahre Urlaub

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2017-04-26 2017-04-26 26.04.2017

Liest man die Lebensgeschichten  der deutschsprachigen MigrantInnen in Griechenland, die Geda Böck und Andrea Dimitriadis zu einem kleinen, im Romiosini-Verlag Köln erschienenen Buch zusammengetragen haben, dann kommt einem der Gedanke, ob der Titel des Buches - "Vierzig Jahre Urlaub" - vielleicht nicht doch ein Fragezeichen verdient hätte. Denn die insgesamt fünfzehn verschiedenen Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft - zum größten Teil handelt es sich um Frauen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, die ihren griechischen Männern in deren Heimat folgten -, die in diesem Buch ihre Geschichte selbst erzählen, berichten auch über die Schwierigkeiten, die mit dem Umzug in ein fremdes Land und den Eigenheiten einer bikulturellen Partnerschaft verbunden waren und sicher auch heute noch sind. Der Buchtitel bezieht sich im Übrigen auf die Geschichte von Brigitte Vernardos, die von ihrem griechischen Mann mit den gemeinsamen Kindern für einen Sommerurlaub zu den Verwandten nach Griechenland gebracht wird und dort hängenblieb.

"Viele der Befragten entstammen der Nachkriegsgeneration, sie verließen ein wirtschaftlich aufblühendes, aufgeklärtes Westeuropa, um sich in einem fast noch orientalisch anmutenden Land niederzulassen, das sich wirtschaftlich und strukturell noch auf einem wesentlich niedrigeren Niveau befand", schreiben die beiden Herausgeberinnen, in ihrer Einleitung. Die Lebensgeschichten, die mündlich aufgezeichnet und ohne sprachliche Eingriffe niedergeschrieben wurden, spiegeln auch die damaligen Verhältnisse und traditionsbedingten Verhaltensweisen in den jeweiligen Ländern wider. Die beiden Herausgeberinnen, deren Recherche nach eigener Auskunft aus persönlichem und beruflichem Interesse erfolgte, sind gewissemaßen selbst Betroffene: Die Österreicherin Geda Böck (Jahrgang 1974) lebt seit 2001 in Thessaloniki und ist verlobt mit einem Griechen, die deutsche Andrea Dimitriadis (Jahrgang 1967), Mutter von zwei Töchtern, ist verheiratet mit einem Griechen und arbeitet seit 1994 als Journalistin und Lehrerin in Thessaloniki. 

Sprachschwierigkeiten, unterschiedliche Mentalitäten und unbekannte Traditionen, mit denen sich die MigrantInnen je nach ihrem persönlichen Umfeld und den finanziellen Voraussetzungen mehr oder weniger stark konfrontiert sahen, erschwerten die Integration. Einige der Frauen, die in den 60er Jahren oder früher nach Griechenland kamen, beschreiben Umstände und Erlebnisse, die heute kaum mehr vorstellbar sind. Und nur selten ist das Geschilderte so amüsant wie diese Beschreibung von Emmy Wamwakidou, einer Wienerin, die nach dem Zweiten Weltkrieg ihrem Mann nach Kavala gefolgt und, als  ihr Mann während des Bürgerkriegs zum Militär einrücken musste, alleine und der Sprache unkundig mit ihrer neuen Familie zurückgeblieben war: "Bevor Georgios in den Krieg zog, kaufte er so eine Art Packpapier. Damit beklebte er die vier Wände meines Zimmers und beschrieb sie mit griechischen Vokabeln, ihrer Aussprache und der deutschen Übersetzung. So saß ich in einem riesigen Lexikon und konnte immer nachschauen, wenn ich etwas sagen wollte." Toleranz, Flexibilität und Lernbereitschaft werden, so der einhellige Tenor, von den MigrantInnen gefordert.

Auch heute müssten Frauen, die in Griechenland beruflich tätig werden wollen, noch große Abstriche machen, stellen die Herausgeberinnen fest: "Die eigene Ausbildung verliert in manchen Fällen an Wert beziehungsweise wird hier weniger gebraucht oder anerkannt als im Heimatland. Der gute Rat, der aus den geschilderten Schicksalen vor allem an all jene geht, die dabei sind, einen solchen Weg einzuschlagen, heißt, sich gut vor zu bereiten. Und Elke Wollschläger, die bereits einen Job und ein Häuschen in Griechenland hatte, bevor sie ihren Mann kennen lernte, erzählt: "Ich habe es nie bereut, dass ich hierher gekommen bin. Bei einem Krach mit meinem Mann hat er zu mir gesagt, ach, geh doch zurück zu deiner Mutter, wo du herkommst, und ich hab zu ihm gesagt, ich geh sicher nicht zurück zu meiner Mutter, denn ich bin ja auch nicht wegen dir hierher gekommen. Ich bin deswegen nach Griechenland gekommen, weil ich das Land liebe, und sollten wir beide tatsächlich auseinander gehen, würde ich sicher trotzdem hier bleiben."

Geda Böck, Andrea Dimitriadis (Hrsg.): Vierzig Jahre Urlaub.
Lebensgeschichten deutschsprachiger MigrantInnen in Griechenland.
Romiosini Verlag Köln. 134 Seiten, mit Fotos.
ISBN 3-929889073-0

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